Klinische Studien

Digitale Volumentomographie (DVT) PedCAT - 3D-Röntgen im Stehen

Einleitung
Die orthopädische Fußchirurgie ist eine weit in die Vergangenheit zurück reichende operative Disziplin. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die orthopädische Fußchirurgie zu einem Spezialgebiet mit vielen speziellen Operationsverfahren entwickelt. So existieren heute z. B. allein für die Korrektur eines Hallux valgus über 500 verschiedene Operationsverfahren. Wie kaum ein anderes orthopädisches Fachgebiet hat sich die orthopädische Fußchirurgie in den letzten Jahren insbesondere technologisch rasant weiterentwickelt. So wurden spezielle computergeschützte Verfahren wie intraoperative Computertomografie, Computernavigation und intraoperative Pedographie speziell für den Fußbereich entwickelt oder weiterentwickelt. Diese Verfahren sind bereits seit einigen Jahren in Anwendung und haben sich bewährt.  Auf diesen Technologien basierend und insbesondere durch die Leistungsfähigkeit aktueller Computersysteme ermöglicht, konnte 2012 die Diagnostik in der orthopädischen Fußchirurgie durch eine Digitale Volumentomographie (DVT) eine dreidimensionale Röntgenbildgebung mit Belastung, das heißt im Stehen, ergänzt werden (pedCAT®, Curvebeam, Warrington, USA). Diese Technologie erlaubt erstmals eine dreidimensionale Röntgenbildgebung wie diese bisher nur computertomografisch möglich war in Kombination mit Belastung wie dies bisher nur mit zweidimensionaler Röntgenbildgebung möglich war. Die Vorteile dieser Technologie liegen in einer dreidimensionalen Darstellung der Knochen des oberen Sprunggelenkes und Fußes unter Belastung. Des Weiteren wird die Methode derzeit mit der Pedographie das heißt der Kraftverteilungsmessung unter der Fußsohle kombiniert. Damit kann erstmals eine Korrelation zwischen dreidimensionaler Knochenposition und Kraftverteilung unter Belastung analysiert werden. Das neue Verfahren kann potenziell die neue Standarddiagnostik in der orthopädischen Fußchirurgie werden.

Bildgebende Diagnostik in der Fußchirurgie
Die bisherige Standarddiagnostik in der orthopädischen Fußchirurgie ist die konventionelle Röntgenaufnahme mit Belastung. Zur kompletten Abbildung des Fußes sind hier mehrere Aufnahmen nötig (z. B. Röntgenaufnahme beider Füße dorsoplantar, beide Füße seitlich und Metatarsaleköpfchenbelastungsaufnahme). Die Probleme der zweidimensionalen Röntgenbildgebung sind der hohe Zeitaufwand und die schwierige Standardisierung der Projektionstechniken. Außerdem besteht eine hohe Abhängigkeit der Achsenverhältnisse von der Projektion. Insbesondere die Beurteilung der Rückfußachse (z. B. mittels Saltzman-view) ist sehr anfällig bezüglich der Rotation der Extremität bzw. der Projektion bezüglich der Rotation. Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die Standardisierung dieser Aufnahmen schwierig ist. Dies wird nicht nur durch die Projektionstechnik sondern auch das Stehen der Patienten selbst verursacht. So haben geringe Inversions- oder Eversionspositionen des Fußes genauso wie verschiedene Rotationspositionen (siehe oben) erhebliche Auswirkungen auf die Projektion der Achsen und damit die Analyse der Achsenverhältnisse. 
Die dreidimensionale Bildgebung mittels Computertomografie erlaubt eine projektionsunabhängige Analyse der Achsenverhältnisse, da im dreidimensionalen Datensatz die Reformationen bzw. Betrachtungsebenen frei gewählt werden können. Problem der Computertomografie ist einerseits die sehr hohe Strahlenbelastung und andererseits die in der Regel fehlende Belastung bei der Untersuchung. Es existieren nur wenige Computertomografen die eine Untersuchung unter Belastung ermöglichen.

Digitale Volumentomographie (DVT) PedCAT - 3D Röntgendiagnostik mit Belastung
2012 wurde eine neue Technologie vorgestellt die mittels Digitaler Volumentomographie (DVT) eine dreidimensionale Röntgenbildgebung unter Belastung mit vertretbaren technischen Aufwand und insbesondere wesentlich geringerer Strahlenbelastung als bei der Computertomografie ermöglichen (PedCAT®, Curvebeam, Warrington, USA). Mit dieser Technologie ist es erstmals möglich mit geringem Zeitaufwand und geringer Strahlenbelastung dreidimensionale Bilder von Fuß und Sprunggelenk zu generieren. Ein weiterer Vorteil der Methode liegt in dem geringen Zeitaufwand und der gleichzeitigen Möglichkeit zweidimensionale Bilder vergleichbar zu konventionellen Röntgenbildern zu generieren. Das erste Gerät dieser Art in Europa wurde im Juli 2013 am Krankenhaus Rummelsberg in Betrieb genommen. Neben dem Einsatz in der Routinediagnostik wurden mehrere wissenschaftliche Studien mit dem Gerät begonnen und teilweise abgeschlosstaben. Hierbei zeigte sich einerseits ein sehr geringer Zeitaufwand des Scanvorgangs (68 Sekunden) der eine geringe Gesamtuntersuchungszeit von im Durchschnitt 4,5 Minuten erlaubt (n=30, Gesamtuntersuchungszeit 270±44s). Im Vergleich dazu betrug die Untersuchungszeit mit konventionellen Röntgenbildern (Füße dorsoplantar mit Belastung, Füße beidseits in 2 Ebenen mit Belastung und Metatarsaleköpfchenbelastungsaufnahme) im Schnitt 15 Minuten (n=30, Gesamtuntersuchungszeit 902±70s) und für eine Computertomografie beider Füße und Sprunggelenke 7 Minuten  (n=30, Gesamtuntersuchungszeit 415±46s). Die Strahlenbelastung eines pedCAT-Scan ist vergleichbar mit 10 konventionellen Röntgenaufnahmen in moderner digitaler Technik und 5% einer konventionellen Computertomografie von Fuß und Sprunggelenk. Im Folgenden werden die ersten Studienergebnisse zweier Studien dargestellt: 

Analyse von Unterschieden der Knochenposition zwischen 2D-Röntgen im Stehen, 3D-Röntgen im Stehen und Computertomografie im Liegen.
An 30 Patienten (jeweils rechte Extremität, d.h. n=30 Extremitäten) wurde die bisherige Standarddiagnostik (2D-Röntgen im Stehen und Computertomografie sowie die 3D-Bildgebung im Stehen mit pedCAT® durchgeführt. Hierbei wurden typische Winkel softwaregestützt gemessen und analysiert. Dabei wurden von drei Untersuchern jeweils drei Messungen durchgeführt und die Werte dieser Messungen verglichen. Die Intra- und Interobserverreliabilität wurde analysiert und als ausreichend betrachtet (Vergleich der unterschiedlichen Werte mittels T-Test, P > 0,05, Power > 0,8).  Die Tabelle zeigt den Vergleich zwischen den unterschiedlichen Methoden. Hierbei zeigt sich das sowohl die Winkel auf den zweidimensionalen Röntgenbildern im Stehen und insbesondere der Computertomografie im Liegen signifikant von der tatsächlichen dreidimensionalen Knochenposition wie mit pedCAT dargestellt abweichen (ONEWAY ANOWA Röntgen versus CT versus PedCAT: p≤0,01 für alle Winkel; post Hoc Test PedCAT versus CT und Röntgen: p<0,05). Dabei kann aus rein technischer Sicht konstatiert werden, dass die dreidimensionale Bildgebung der Knochen reale Winkelverhältnisse darstellt was für die 3D-Bildgebung im Stehen oder im Liegen mittels Computertomografie zutrifft. Daher sind einerseits die Abweichungen des 2D-Röntgen im Stehen zur 3D-Bildgebung im Stehen relevant, da hier offensichtlich projektionsbedingte Abweichungen bestehen. Außerdem sind die Abweichungen der Winkel aus der Computertomografie im Liegen zur 3D-Bildgebung im Stehen ebenfalls relevant, da hier reale Winkel gemessen werden die sich in liegender Position von der stehenden Position unterscheiden. Zusammenfassend ist somit die dreidimensionale Bildgebung im Stehen durch die exakte Winkeldarstellung der 2D-Bildgebung im Stehen überlegen und durch die Belastung der Computertomografie im Liegen überlegen. Bezgl. der Intra- und Interobserverreliabilität sind mit der angewendeten digitalen Winkelmessung alle drei Methoden (Röntgen, CT und PedCAT) reliabel (ONEWAY ANOWA Messung 1 versus Messung 2 versus Messung 3: p>>0,05 für alle drei Methoden).

Analyse Korrelation zwischen Knochenposition (3D-Bildgebung und Kraftverteilung (Pedographie) im Stehen)
Um eine Korrelation zwischen dreidimensionaler Knochenposition und Kraftverteilung zu ermöglichen wurde ein Kraftsensor (Pliance, Novel, München) in das pedCAT® integriert. Bei 30 Patienten wurde während des pedCAT-Scans die Kraftverteilung registriert und analysiert. Anschließend wurde die Kraftverteilung mit der dreidimensionalen Knochenposition korreliert. Die Interpretation der Daten ist außerordentlich komplex da insbesondere durch die Pedographie zahlreiche Daten generiert werden. Daher ist eine Datenreduktion zur Interpretation notwendig. Konkret wurden die Positionen der einzelnen Mittelfußknochen das heißt der Winkel des Mittelfußknochens zur Horizontale mit dem Kraftanteil unter dem betreffenden Metatarsaleköpfchen korrigiert. Gleichzeitig wurde die Calcaneusinklination mit der Kontaktfläche und dem Kraftanteil im Mittelfußbereich korreliert. Beide Analysen zeigen eine hohe Korrelation zwischen Winkel des Knochens zur Horizontalen und den entsprechenden Kraftanteil. Bezüglich der Metatarsalia bestand eine Korrelation zwischen Winkel zur Horizontalen, Länge des einzelnen Mittelfußknochens und Kraftanteil im Bereich des Vorfußes. Für die Calcaneusinklination bestand eine negative Korrelation zwischen den Winkel der Calcaneusinklination und der Kontaktfläche und Kraftanteil im Bereich des Mittelfußes. Beide Korrelationen erscheinen trivial, wurden jedoch bisher noch nie wissenschaftlich bewiesen. Des Weiteren besteht sicherlich ein Einfluss verschiedener Deformitäten bei den Patienten bzw. Probanden auf die Kraftverteilung. Über diese wurde die Kraftverteilung nicht dynamisch sondern statisch abgeleitet im Gegensatz zur Standard-Pedographie die eine dynamische Untersuchung während der Standphase des Gangzyklus entspricht. Dennoch darf hier nochmals betont werden, dass hier erstmals eine Korrelation der dreidimensionalen Knochenpositionen der Kraftverteilung unter der Fußsohle gezeigt werden konnte. Darauf aufbauend soll ein Finite-Elemente-Modell geschaffen werden mit dem auch eine Korrekturplanung ermöglicht wird, d. h. eine Planung nicht nur der Knochenposition sondern auch der zu erwartenden Kraftverteilung. Diese Planung kann dann wiederum als Basis zur navigierten Korrektur an Fuß und Sprunggelenk dienen.

Zusammenfassend erscheint das Potenzial der Digitale Volumentomographie (DVT) zur dreidimensionalen Röntgenbildgebung im Stehen mit PedCAT® phänomenal. Nach Ansicht des Autors ist dies eine der aufregendsten und erfolgversprechenden Neuerungen der letzten Jahrzehnte im Bereich orthopädischer Fuß- und Sprunggelenkchirurgie. Die Methode hat einerseits das Potential die zur Standarddiagnostik in der orthopädischen Fußchirurgie und bietet andererseits erstmals die Möglichkeit der Analyse der dreidimensionalen Knochenposition unter Belastung und dies auch noch mit Korrelation zur Kraftverteilung. Diese mannigfaltigen wissenschaftlichen Möglichkeiten werden sicherlich in hohem Maße der zukünftigen Patientenversorgung zu Gute kommen. 

Fazit

  • Die dreidimensionale Röntgenbildgebung von Fuß und Sprunggelenk mit Belastung mit Digitale Volumentomographie (DVT) PedCAT hat das Potential neue Standarddiagnostik in der orthopädischen Fußchirurgie zu werden. Der Zeitaufwand und die Strahlenbelastung sind gering und neben zweidimensionalen Röntgenbildern werden auch dreidimensionale Reformationen von Fuß und Sprunggelenk mit Belastung  generiert. 
  • Durch die Anwendung der dreidimensionalen Röntgenbildgebung mit Belastung wird die Analyse der Achsenverhältnisse an Fuß und Sprunggelenk ohne Einfluss auf die Projektion wie bei der zweidimensionalen Röntgenbildgebung ermöglicht. 
  • Durch die Kombination der dreidimensionalen Röntgenbildgebung mit Pedographie ist erstmals eine Korrelation der dreidimensionalen Knochenposition mit der Kraftverteilung unter der Fußsohle möglich.

Abb. 1. PedCAT® -Scan und Bilder.  Links Proband im pedCAT® platziert vor Verschluss des Geräts.  Rechts Bildschirmdarstellung mit 3D-Reformation oben links, axialer Reformation oben rechts, parasagittaler Reformation unten links und paracononarer Reformation unten rechts.

Abb. 2 PedCAT®-Monitordarstellung mit errechneten 2D-Bilder und Winkelmessung.  Oben links 3D-Reformation, oben rechts beidseitige dorsoplantare 2D-Bilder mit Messung Talus-Metatarsale 1-Winkel, unten links seitliches 2D-Bilder mit Messung Talus-Metatarsale 1-Winkel, unten rechts anteroposteriore 2D-Bilder mit Messung Rückfußachse.

Abb. 3. Bildschirmdarstellung einer Pedographie (oben) und gleichzeitigem PedCAT®-Scan.  Dies erlaubt zunächst eine qualitative Korrelation der Kraftverteilung unter der Fußsohle mit der Knochenposition.

Tabelle: ONEWAY ANOWA Röntgen versus CT versus PedCAT; post Hoc Test PedCAT versus CT und Röntgen.