Frakturen des Fußes

Metatarsalia

Unter den Metatarsalefrakturen ist das Metatarsale 5 ist am häufigsten betroffen, gefolgt von Metatarsale 3, 2, 1 und 4 in Reihenfolge der sinkenden Häufigkeit. Stressfrakturen weichen bzgl. der Inzidenz von dieser Häufigkeitsverteilung ab, da die zentralen Metatarsalia (2-4) häufiger betroffen sind als Metatarsale 1 und 5. Metatarsalefrakturen werden entweder durch direkten Impakt oder indirekte Krafteinwirkung verursacht. Dabei können die einwirkenden Kräfte von einfachem wiederholtem Stress (z.B. Marschfaktur bei Soldaten) bis zu komplexen Verletzungsmechanismen (Lisfranc-Luxationsfraktur bei Verkehrsunfallopfern) reichen.

Der Heilverlauf von Metatarsalefrakturen ist typischerweise günstig. Die Inzidenz von Komplikationen wie Infektionen oder Pseudarthrosenbildung ist gering. Ausnahme ist hier der proximale Schaftbereich von Metatarsale 5. Fehlverheilte Metatarsalefrakturen können manchmal Probleme verursachen, die sogar eine operative Intervention erfordern. Im Folgenden werden die verschiedenen Frakturtypen und -lokalisationen und deren spezifisches Management detailliert dargestellt. Dabei wird grundsätzlich eine Teilbelastung empfohlen. Sicherlich ist im Einzelfall auch eine Vollbelastung möglich. Da dies spezifisch verletzungsabhängig sein kann und daher schwierig zu differenzieren ist wird eben die Teilbelastung als allgemein funktionierendes Konzept favorisiert und empfohlen. Das gleiche gilt für die Verwendung eines Gipsschuhs im Vergleich zum "festen Schuh" oder einer Orthese. Diesem Konzept folgend wird prinzipiell für die nichtoperative und (post-)operative Therapie 15kg Teilbelastung für 6 Wochen im Gipsschuh empfohlen.

Metarsalestressfrakturen

Metatarsalestressfrakturen sind die physiologische Antwort auf repetitive Überlastung oder Verletzung.  Briehaupt beschrieb 1855 erstmals Metatarsalestressfrakturen bei Rekruten.  Metatarsalestressfrakturen haben die höchste Inzidenz bei Patienten mit intensivster körperlicher Betätigung wie Aerobic, Ballet, Tanzen oder Laufen.  Die klinische Untersuchung zeigt meist punktuelle plantare Schmerzen, die belastungsabhängig sind.  Konventionelle Röntgenaufnahmen sind häufig wenig spezifisch.  Spätere sichere Hinweise auf eine abgelaufene Stressfraktur sind Kallusbildung.  Falls sich die Diagnose klinisch nicht sichern lässt, kann dies auch in der Frühphase durch MRT oder Szintigraphie erfolgen.  Die Behandlung erfolgt bei inkompletten Frakturen nichtoperativ (s.o.).  Nur bei kompletten Frakturen ist die operative Therapie indiziert (s.u.).

Metatarsaleköpfchenfrakturen

Metatarsaleköpfchenfrakturen imponieren meist durch Verkürzung, häufig mit Achsenabweichung oder Rotation kombiniert.  Die geschlossene Reposition gelingt aufgrund der Einstauchung der Fragmente meist nicht und kann sogar die Fehlstellung eventueller intraartikulärer Fragmente vergrößern.  Falls die geschlossene Reposition bei größeren Fragmenten gelingt, sollte eine interne Fixation mit Spickdrähten erfolgen.  Die antegrade intramedulläre Einbringung der Drähte ist an den Metatarsalia generell vorteilhaft, da dabei die stabile Gelenkkapsel des Metatarsophalangealgelenks nicht penetriert werden muss.  Bei Gelenkbeteiligung ist eventuell auch die offene Reposition und interne Fixierung indiziert.

Antegrade intramedulläre K-Drahtosteosynthese

Die antegrade intramedulläre Einbringung der Drähte ist an den Metatarsalia generell vorteilhaft, da dabei nicht wie bei der retrograden Technik die stabile Gelenkkapsel des Metatarsophalangealgelenks penetriert werden muss.  Dies verursacht einerseits Probleme beim Einbringen der Drähte und andererseits bei liegenden Drähten Affektionen des Metatarsophalangealgelenks, wie Kapselreizung und schmerzhafte Bewegungseinschränkung.  Die antegrade Technik entspricht dem Prinzip der Markdrahtung.  Im Bereich der Metatarsalia ist diese Technik bei einfachen Schaft-, Hals- und extraartikulären Köpfchenfrakturen besonders günstig anwendbar.  Bei intraartikulären oder mehrfragmentären extraartikulären Frakturen sollte eher ein offenes Verfahren gewählt werden.  Für diese Frakturen kommt die retrograde Technik ebenfalls nicht in Frage.

Bei der antegraden Technik kommen 1,4-2,5mm K-Drähte zum Einsatz, je nach Größe des Markraums.  Es sollten prinzipiell immer 2 Drähte eingebracht werden, je einer von medial und lateral (am Metatarsale 5 beide von lateral).  Die Drähte werden etwas vorgebogen und mit einem T-Handgriff versehen.  Dann wird das Metatarsale am proximalen metaphysär-epiphysären Übergang von dorsomedial und -lateral über eine Stichinzision mit einem Bohrer eröffnet.  Der Bohrer sollte 0,2-0,5mm dicker sein als der K-Draht und die Bohrrichtung sollte schräg nach distal geneigt sein.  Die Gegenkortikalis sollte nicht penetriert werden.  Dann werden die Drähte eingebracht.  Dank der Biegung gelingt die Auffädelung des distalen Fragments sehr einfach.  Die Drähte werden dann bis in das Köpfchen vorgeschoben ohne die Kortikalis zu durchbrechen.  Die Verankerung erfolgt im subchondralen spongiösen Knochen.  Durch die Vorbiegung kann auch dann noch bei Köpfchen- oder Halsfrakturen durch Drehen des Drahts die Reposition verbessert werden.  Die Drähte werden dann subkutan gekürzt.

Bei isolierten Frakturen kann die antegrade Technik auch in modifizierter Oberst-Anästhesie, d.h. mit Infiltration im Bereich der Metatarsalebasis erfolgen.

Dislozierte Köpfchenfrakturen der Metatarsale 2-4 im Rahmen eines Verkehrsunfalls, die nach beschriebener Technik mit antegrader Spickdrahtosteosynthese operativ versorgt wurden (a: präoperative Röntgenaufnahmen; b: postoperative Röntgenaufnahmen).

Metatarsaleschaftfrakturen

Metatarsaleschaftfrakturen sind am häufigsten Schrägfrakturen und Spiralfrakturen.  Nicht oder gering verschobene Frakturen werden nichtoperativ behandelt (s.o.).  Seitverschiebungen von mehr als 3mm oder Achsenabweichungen oder Rotationsfehlstellungen von mehr als 10° sind nicht mehr tolerabel und bedürfen der Reposition.  Diese gelingt bei einfachen Frakturen meist geschlossen.  Danach folgt eine antegrade intramedulläre Spickdrahtosteosynthese.  Bei Schräg- oder Spiralfrakturen mit nur zwei Fragmenten und langem Frakturverlauf kann auch die Schraubenosteosynthese eine sinnvolle Option sein.  Bei mehrfragmentären Frakturen ist die offene Reposition und interne Plattenfixierung indiziert.

Metatarsalebasisfrakturen

Metatarsalebasisfrakturen sind häufig Teil einer Lisfranc-Luxationsfraktur.  Falls wirklich eine isolierte Basisfraktur mit geringer Fehlstellung ohne Verletzung des Lisfrancgelenks vorliegt, kann die Behandlung nichtoperativ erfolgen (s.o.).

Metatarsale 1

Aufgrund der großen Bedeutung des Metatarsale 1 für die gesamte Biomechanik des Fußes sollte eine anatomische Reposition und stabile interne Fixierung angestrebt werden. Völlig unverschobene Frakturen können nichtoperativ behandelt werden (s.o.).  Bei einfachen verschobenen Frakturen sollte aber schon die geschlossene Reposition und antegrade intramedulläre Spickdrahtosteosynthese erfolgen. Als Implantate sollten Spickdrähte von 2,0-2,5 mm Dicke verwendet werden. Bei mehrfragmentären Frakturen ist die offene Reposition und interne Plattenfixierung indiziert. Winkelstabile Implantate können bei osteoporotischen Verhältnissen sinnvoll sein. Um eine Narbenbildung im Bereich der dorsalen Sehnen zu vermeiden sollten die Platten nicht dorsal angebracht werden. Einfach ist die mediale Plattenlage, biomechanisch am günstigsten die plantare Plattenlage.

Metatarsalia 2-4

Eine wichtige Funktion der zentralen Metatarsalia (2-4) ist die Kraftweiterleitung beim Gang. Die Verbindung von Metatarsale 2 zum Tarsus ist wesentlich stabiler als die der Metatarsalia 3 und 4, die auch beweglicher sind. Damit trägt das Metatarsale 2 auch wesentlich mehr Last, was die größere Kortikalisdicke, aber auch die Häufigkeit von Stressfrakturen erklärt.

Unverschobene Frakturen können nichtoperativ behandelt werden (s.o.). Bei einfachen verschobenen Frakturen ist die geschlossene Reposition und antegrade intramedulläre Spickdrahtosteosynthese adäquat. Als Implantate sollten Spickdrähte von 1,6-1,8 mm Dicke verwendet werden. Bei mehrfragmentären Frakturen ist die offene Reposition und interne Plattenfixierung indiziert.

Metatarsale 5

Avulsionsfraktur
Meist besteht nur eine geringe Verschiebung, die mit der Zeit nicht zunimmt. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die Sehne des M. peroneus brevis nicht nur am proximalen Fragment sondern auch weiter distal am Schaftfragment ansetzt. Hier wird die o.g. Ruhigstellung und Teilbelastung empfohlen.

Bei einer Verschiebung von mehr als 2 mm, schmerzhafter Prominenz des Fragments, Beteiligung von mehr als 30% des Tarsometatarsal-5-Gelenks oder den wenigen Fällen mit verzögerter Fusion ist die operative Therapie im Sinne einer Zuggurtung oder Schraubenosteosynthese z.B. mit einer sog. Kriechschraube.

Jones Fraktur
Die akute extraartikuläre Fraktur am proximalen metaphysär-diaphysären Übergang wird als „Jones“-Fraktur bezeichnet.  Eine nichtoperative Behandlung ist prinzipiell erfolgreich (s.o.). Teilweise wird auch eine Vollbelastung empfohlen, die aber die Ausheilungsrate keinesfalls erhöht. Bei Verschiebung von mehr als 5 mm oder bei verzögerter Durchbauung ist eine operative Therapie mit Schraubenosteosynthese indiziert. Die Schraube kann als bikortikale Zugschraube (3,5mm Kortikalisschraube) oder als intramedulläre Zugschraube (3,5 - 4,5mm Spongiosaschraube) eingebracht werden.  Dabei ist die intramedulläre Schraube biomechanisch stabiler. Die operative Therapie kann bei Sportlern großzügiger indiziert werden. Allerdings ist es auch in diesen Fällen so, dass die Frakturheilung durch die Operation nicht beschleunigt wird.

Kreissägenverletzung mit drittgradig offener Metatarsale-4-Halsfraktur mit Knochenverlust und drittgradig offener Kleinzehengrundgliedfraktur mit Knochenverlust (Abbildung a).  Der Knochenverlust entspricht der Dicke des Sägeblatts.  Initial zwar offene Reposition aber retrograde Spickdrahtfixation des Metatarsale 4 mit Penetration der metatarsophalangealen Gelenkkapsel und nicht adäquater Retention (Abbildung b).  Die postoperative CT zeigt eine Abkippung von etwa 80° Plantarflektion (Abbildung c, parasagittale Reformation) und 50° Abduktion (Abbildung d, axiale Reformation).  Es erfolgen eine Implantatentfernung und erneute offene Reposition aber mit antegrader Spickdrahtfixation, die trotz des Knochenverlusts und des kurzen distalen Fragments eine adäquate Retention ergab (Abbildung e).  Dabei ist durch das Einbringen von 2 Drähten eine Rotationsstabilität gewährleistet.  Die hier vorliegende Verkürzung ist durch den verletzungsbedingten Knochenverlust (s.o.) bedingt.  An der Kleinzehengrundgliedbasis war bei der initialen Versorgung ebenfalls die metatarsophalangeale Gelenkkapsel penetriert worden (Abbildung b).  Bei der Revision wurde das Osteosynthesematerial so gelegt, dass dies nicht mehr der Fall ist (Abbildung e).  Die Drähte wurden über Hautniveau gekürzt und umgebogen.

Metatarsale-5-Avulsionsfraktur und Versorgung mit einer sog. Kriechschraube.  Die distale Verankerung erfolgt intramedullär.  Dadurch wird eine gute Verankerung erreicht, ohne dass wie häufig bei einer bikortikalen Schraube oder Zuggurtung durch Implantateüberstand medial das Metatarsale 4 tangiert und irritiert oder  wird (Abbildung a: präoperative Röntgenaufnahme;  Abbildung b: 6 Monate postoperativ).

Metatarsale-5-Avulsionsfraktur mit Gelenkbeteiligun der Tarso-Metatarsale-5-Gelenks (obere Abbildung: präoperative 3D-Röntgenbildgebung mit PedCAT/DVT).  Frustane Versorgung mit Kriechschraube.  Deswegen Verfahrenswechsel auf Zuggurtungsosteosynthese (s.u.).

Mehrfragmentäre langstreckige Metatarsale-5-Schaftfraktur und Versorgung mit Plattenosteosynthese.  Plantare Plattenlage zur Optimierung der Stabilität unter Berücksichtigung der physiologisch auftretenden Biegekräfte bei Belastung (Abbildung a: präoperative Röntgenaufnahmen mit;  Abbildung b: 6 Wochen postoperativ).